Nachdem die von der YPG/YPJ geführten ‚Demokratischen Kräfte Syriens‘ (kurdische Abkürzung: QSD, englische Abkürzung: SDF) am 26. Dezember 2015 auf die westliche Seite des Euphrats übersetzen, die Stadt Tishrin und den strategisch wichtigen Staudamm/Wasserkraftwerk eroberten konnten, bedeutete das einen wichtigen Sieg, der auch einen zentralen Nachschubweg des IS blockierte. In den beiden letzten Wochen haben die QSD weitere militärische Erfolge erzielt. In den Gebieten um Aleppo konnten ihre Truppen Gebiete übernehmen, die vorher von al Nusra (syrischer Ablger von al Quaida) und Einheiten der FSA kontrolliert wurden, die im Süden gleichzeitig auch Angriffen der Assad-Truppen und mit diesen verbündeter Milizen der Hisbollah aus dem Libanon und iranischer Militärs ausgesetzt sind, die gleichzeitig massive Luftunterstützung durch Russland erhalten. Am 11. Februar haben YPG und Ceys El Suwar (Revolutionäre Armee) die Kontrolle über den Militärstützpunkt Minnigh und das Dorf Minih erlangt und im Anschluss die Kontrolle al-Qaider naher Kräfte über die nahe gelegenen Dörfer Merinaz, Kefer Entuwan und Elqemiya beendet. Der Militärstützpunkt Mengah (mit Flughafen) liegt im Dreieck zwischen Azaz, Afrin und Halep (Aleppo). Dabei war auch die Verbindung zwischen der Türkei und Halep unterbrochen worden. Der türkische Ministerpräsident Davutoğlu erklärte daraufhin. „Die YPG hat sich umgehend von Azaz und Umgebung zu entfernen, wage sich keinesfalls auch nur in deren Nähe. Wage sie es nicht noch einmal, den Korridor (nach Haleppo) zu unterbrechen. Sie solle nicht mal daran denken, den Flughafen von Minnak gegen die Türkei oder die Opposition nutzen zu wollen und habe umgehend den Flughafen zu verlassen.“1 Militärische Konfrontationen zwischen den kurdischen Einheiten/QSD und den Assad-Truppen gibt es gegenwärtig nicht. „Die Kurden meiden aber jede Konfrontation mit den Truppen vom Herrscher Baschar-al-Assad“.2 Nach aranews vom 19.2. konnten auch im Osten des Kantons Cizire an der Grenze zum Irak bei Heseke militärische weitere militärische Erfolge erzielt werden. Dort wurden Dörfer in Al-Hawl befreit und wird eine weitere größere Operation vorbereitet. Der IS wurde aus 11 weiteren Dörfern vertrieben. Große Mengen an Waffen/Munition wurden erbeutet. Das Bündnis QSD bereitet aktuell dort eine größere Operation gegen den IS in der Stadt Shaddadi vor, der Hauptbastion des IS in Hasakah. Der Bericht auf aranews weist darauf hin, dass neben dieser militärischen Operation die Kräfte der QSD neben den Kämpfen in Afrin auch eine neue Operation gegen Raqqa vorbereiten.
Wichtige Erfolge des kurdischen Kampfes um Freiheit und Demokratie sind die Eröffnung einer Vertretung der Selbstverwaltung/PYD von Rojava in Moskau, nach den Vertretungen in Sulaymaniyah, Paris, Berlin, wie auch die Tatsache, dass das US-Außenamt erklärte, dass die YPG „keine Terrororganisation“ sei.3 Das ist eine Positionierung gegen Erdogan, der gefordert hatte, dass die USA sich zwischen der türkischen Regierung und der YPG entscheiden sollte. Der USA und auch Russland geht es keineswegs um das Wohl der kurdischen Bewegung. Sie versuchen den Konkurrenten Türkei zurück zu drängen, als auch ihren Einfluss auf den Nahen und Mittleren Osten zu erhalten und auszuweiten. Das zeigten auch die „Genf 3 – Friedensgespräche“, an denen keine Delegation der Kurden teilnehmen durfte.
Am 13. Februar wurden dann mehrere Stellungen im Norden Syriens vom türkischen Militär beschossen, u.a. der Luftwaffenstützpunkt Minnigh nördlich der Stadt Azaz. Auch der Kanton Affrin war Ziel der türkischen Armee. Dort wurde im Bezirk Serawa das Dorf Mezreha unter Raketenbeschuss genommen; dabei wurden auch Zivilisten, unter ihnen Kinder getötet; weiterhin auch Flüchtlinge, die zu Tausenden in den Kanton Affrin (auch Efrin geschrieben) flüchten. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu bestätigte den Beschuss. Die Türkei reagiert aus der Defensive und aggressiv auf die Gebietsgewinne der QSD. Seit dem 12. Februar findet fortlaufender Artilleriebeschuss von Rojava statt; intensiviert wurden die Luftangriffe auf das Kandilgebiet im Nordirkam, welches unter Kontrolle der PKK steht. Die Pressestelle der Volksverteidigungskräfte (HPG) meldet, dass verschiedene Gebiete im Kandil-Gebirge bombardiert worden seien.4
Die Türkei scheint jetzt mit aller Macht ihre neoimperialistische Rolle behaupten zu wollen, will unter allen Umständen verhindern, dass die Verbindung zwischen Affrin und Kobanê hergestellt wird und damit ein geschlossenes Gebiet der demokratischen Selbstverwaltung entlang der gesamten türkisch-syrischen Grenze entsteht, was natürlich Auswirkungen für den Befreiungskampf in Nordkurdistan/Türkei hätte, wo mindestens 20 Millionen Kurden leben. Dabei riskiert die Türkei direktes Aufeinandertreffen mit anderen imperialistischen Kräften auf dem syrischen Gebiet als auch einen Krieg zwischen NATO (mit ihr als Partner) und Russland. Verstrickt sind auch Saudi-Arabien, die die Türkei unterstützen, als auch Iran, die Assad unterstützen und die europäischen Imperialisten.
Die Türkei entwickelt aggressive Kriegspropaganda und droht unmittelbar mit dem Einmarsch nach Rojava
Seit Wochen agieren türkische Soldaten gemeinsam mit IS – Truppen in dem Gebiet zwischen Affrin und Kobanê. Am 15. Februar erklärt der türkische Außenminister Cavusoglu: „Die PYD … repräsentiert nicht alle Kurden. Die PYD und ihr militärischer Flügel, die YPG, machen sogar Druck auf andere Kurden, die nicht wie sie marxistisch-leninistisch denken – sie vertreiben sie. Die PYD-YPG ist eine Terrororganisation.“ und dann „… alle Terroristen müssen entfernt werden.“
Für den Anschlag von Mittwochabend in Ankara, bei dem durch eine Autobombe 28 Menschen getötet und Dutzende verletzt wurden, wird YPG von Erdogan verantwortlich gemacht. Der PYD – Chef hat erklärt, dass es keinerlei Verbindung des Attentäters zur YPG gibt. „Es ist ein willkommener Anlass, weitere Luftangriffe auf Syrien zu führen und auch mit Bodentruppen einzumarschieren.“ Das wird dadurch untermauert, dass der Täter soofrt gefunden war, und gleichzeitig 14 weitere Personen verhaftet wurden.
Am 18. Februar dringen „Dutzende von türkischen Militärautos … 200 Meter in Rojava in Affrin ein über das Dorf Meydan Ekbise“5und greifen Rojava damit an.
Die Grenze bei Mürsitpinar zwischen Suruc und Kobane wurde von der Türkei geschlossen. 800 islamistische Kämpfer sind nach Angaben der in London ansässigen syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte über die türkische Grenze in Richtung Azaz gekommen, offensichtlich unter Führung des türkischen Militärs, meldet firatnews.com am gleichen Tag. Schon Tage vorher seien 350 bei Atamah in das Gebiet über die türkische Grenze gebracht worden, ebenso haben seien die syrischen „Rebellen“ mit 2000 Leuten gestärkt worden.
Wenn auch noch nicht offiziell, sind militärische Kräfte der Türkei am Einmarsch in Syrien beteiligt. In Affrin sind türkische Militärs am 18. Februar real einmarschiert.
1ISKU, 18.2.16
2Süddeutsche Zeitung, 17. Februar
3Kurdische Nachrichten, 11.2.16
4Civaka Azad, 13. Februar
5Firatnews.com, 18.2.16